Kapitel 1: Einführung



(1.1) In großen Bereichen der uns zugänglichen Welt unterliegen die Phänomene bestimmten Gesetzmäßigkeiten oder Regeln: Oder man kann sie zumindest durch solche beschreiben.
Das Suchen, Finden und Bewerten solcher Regelmäßigkeiten ist eine Art menschlicher Urtrieb, dessen Vorhandensein durchaus biologisch verständlich ist. Kenntnis und Verständnis gültiger Regeln ist nützlich und wichtig.
Konkret manifestiert sich das darin, dass man nach Ursachen oder Gründen der Erscheinungen fragt. Hat man solche erkannt, versucht man in späteren ähnlichen Situationen letztere zu verstehen, zu beeinflussen oder Vorhersagen zu machen. (Beispiel: Die Reaktion auf Sonnenfinsternis)


(1.2) Rein denkbar sind zunächst eine überhaupt nicht zu fassende Zahl von Gesetzmäßigkeiten, die meisten davon nicht brauchbar, nicht zum Tatsächlichen passend. Und das Auffinden passender Gesetze erweist sich in der Regel als ausgesprochen schwer, da zunächst kein Grund besteht, irgendeine Art von Regeln auszuschließen. Im Laufe der Menschheitsgeschichte gab es eine Vielzahl von Versuchen, die sich meist jedoch nicht als tragfähig für das Verstehen und für korrekte Vorhersage der erfassten Phänomene erwiesen. Teilweise kommt ihnen aber psychologische und soziale Bedeutung zu.

(1.3) Etwa ab der Renaissance wurden bei dieser Suche im mathematisch naturwissenschftlichen Bereich - speziell in der Physik - enorme Fortschritte gemacht. Frühere Erfahrungen zeigen eher in welche Richtungen man nicht, die neueren dagegen, in welche Richtungen man suchen sollte.
Idealisiert entstand etwas, was man mechanistisch-deterministisches Naturbild nennen kann. Weicht man dieses auf, indem man keine vollständige Beschreibung fordert, sondern auch partielle zuläßt, dann hat man etwas, an dem man sich bei der Suche nach einem tragfähigen Verständniss unsere materiellen Umwelt erfolgversprechend orientieren kann.


(1.4) Wie sieht so gefundenes erfolgreiches Vorgehen (zum Erlangen von Naturverständnis) aus? Das ist letztlich Haupthema des Kurses. Dazu müssen wir einiges über physikalische Gesetzmäßigkeiten lernen, wir werden einige damit verbundene allgemeine Fähigkeiten üben und uns einige nützliche konkretere physikalische Kenntnisse verschhaffen.

(1.5) Jetzt etwas Vertiefung des bisher Gesagten. Zunächst einige Beispiele nicht tragfähiger Gesetzmäßigkeiten

(1.6) Wie könnte überhaupt eine "nicht deterministische Welt" aussehen, eine Welt, deren Verhalten sich also nicht in der beschriebenen Weise erfassen und beschreiben läßt? Auch darüber sollte man etwas nachdenken.


(1.7) Es folgen Beispiele für fundiertes Wissen, das man im Rahmen naturwissenschaftlicher Arbeit - mit deren Methoden - gefunden hat. Also Beispiele für Resultate erfolgreichen Vorgehens

(1.8) Aus der Unzahl an und für sich möglicher, denkbarer Regelmäßigkeiten solche herauszufinden, die das Tatsächliche zuverlässig wiedergeben, ist schwierig und meist mit viel Arbeit verbunden. Entsprechend gibt es in der Physik unterschiedliche Aspekte oder Facetten, von denen aus man die Probleme angeht. Wir nennen hier drei, denen wir uns durch ein zugehöriges typisches Problembeispiel annähern wollen, das wir dann im Laufe des Kurses genauer behandeln werden. Aber denken Sie daran: Das sind alles Facetten ein und desselben Vorgehens.

(1.8) Hinzu kommen noch Hilfsmittel, die bei der erfolgreichen Suche immer wieder benutzt und benötigt werden. Genauer werden diese Hilfsmittel benötigt, sobald man über das hinausgehen will, was einem Sinne und Bewußtsein unmittelbar an Zusammenhängen und Regelmäßigkeiten liefern. Also all das, was über die unmittelbare Evidenz hinausgeht. Wir nennen


(1.9) All diese Beispiele und Punkte liefern uns Hinweise dafür, wie tragfähige Determiniertheit sich darstellt - also gesetzmäßige Beziehungen aussehen können und tatsächlich aussehen..

(1.10) Als großes Hindernis zum effizienten Erlernen von Physik und Mathematik hat sich vielfach das Fehlen angemessener Begriffssysteme erwiesen. Diese dienen nicht nur der sprachlichen Kommunikation, sondern weisen dem Denken mögliche und sinnvolle Richtungen. Als Beispiel diskutieren wir das Begriffssystem, das zu einer quantifizierten Größe gehört. Wir werden es im Laufe des Kurses beständig benötigen und verwenden. Und wir werden sehen, dass es eine Art Rückgrat des erfolgreichen mechanistisch-deterministischen Vorgehens bildet. Wir benötigen es, zum Verständnis der Bedeutung der Differentialgleichungen ebenso wie zu deren numerischer Lösung. Aufgaben Begriffsystem .

(1.11) Vielfach präsentiert sich die Essenz erfolgreicher physikalischer Arbeit in Form von Formeln. In ihnen konzentriert sich sowohl das Resultat vorangegangener Überlegungen wie der Keim der Lösung zugehöriger, davon ausgehender Probleme. Und auch hier vermißt man zugehörige benötigte Fähigkeiten: Formeln sind nur in geringem Maße dazu da, einfach Zahlwerte einzusetzen, eventuell nach einigen einfachen Umstellungen. ("Dafür haben wir doch eine Formelsammlung!".wird gesagt, um so weitergehende Bemühungen um die Bedeutung wichtiger Formeln als unnötig zu vermeiden.) (17)
Wir wollen dieses Formelverständnis unter Nutzung des angemesenen Begriffssystems an etwa 5 Formeln einüben, von denen einige wieder Anlass zu einer Vielzahl weiterer Formeln geben. Dabei benutzen wir fast immer die Sprache und die Resultate der Vektorrechnung einschließlich des Umgangs mit den trigonometrischen Funktonen.


(1.12) Das Verstehen und Erlernen gefundener tragfähiger Gesetzmäßigkeiten. Wir gehen inzwischen von der Frage nach gültigen Gesetzmäßigkeiten und deren Form über zur Frage, wie man solche Gesetze erlernt, ihre Struktur und Anwendbarkeit. Das ist wichtig, denn ungünstiges Lernen und Arbeiten kostet Zeit und erweist sich vielfach als wenig wirksam, wenn nicht unnütz. Einige zu beachtende Punkte, von denen wir einige bereits angesprochen haben:

(1.14) Determiniertheit und freier Wille. Zu den wichtigen Erfahrungen der Naturwissenschaft gehört das Vorhandensein von Gültigkeitsbereichen und deren Beachtung! Und das heißt, dass die hier im Kurs zu besprechenden Gesetzmäßigkeiten keineswegs automatisch überall gelten müssen. Im Bereich menschlichen Verhaltens bildet der „freie Wille“ eine Art Gegenpol zur mechanistischen Determiniertheit. Und das heißt, dass man nach anderen Formen von Gesetzmäßigkeit suchen muss. Obwohl – eine etwas sarkastischer Einschub – beispielsweise das Verhalten vieler Studienanfaänger eher den Eindruck irrational deterministischen Verhaltens erweckt, als den vernunftgesteuerten freiern Willens.

(1.15) Viele Gesetzmäßigkeiten der Physik werden durch Formeln beschrieben, werden durch sie erfasst. Gesucht sind meist Beziehungen zwischen beobachtbaren Größen. Wir haben einige typische Beispiele anfesprochen: Das Ohmsche Gesetz stellt eine einfache Beziehung zwischen den Größen Spannung und Stromstärke her. Die Formel für die Schwingungsdauer des Pendels gibt eine Beziehung zu den Größen Pendellänge und Schwerebeschleunigung. Usw. Bemerkenswerterweise sträubt sich die Natur, derartige Formeln auf fundamentaler Ebene zu liefern. Stattdessen liefert sie Formeln, in denen auch die Änderung (genauer die Änderungsrate) von interessierenden Größen Umstände auftritt! Solche Formeln sind in mathematischer Hinsicht Differentialgleichuungen. Und es zeigt sich: Aus einer grundlegenden Formel für die Größenänderungen lassen sich mit rein mathematischen Methoden viele interessierende Formeln für die Größen selbst herleiten.

(1.16) Und damit sind wir bei einem Hauptthema des Kurses angekommen: Wir möchten den soeben beschriebenen Sachverhalt – der ja eng mit dem oben erwähnten Erfolg der naturwissenschaftlichen Methode verbunden ist – verdeutlichen und dabei einige wichtige Inhalte und Metrhoden vermitteln.

Zunächst diskutieren wir noch an Hand eines Beispiels das Auffinden einer Gesetzmäßigkeit vom Änderungstyp: Absorbtion. Das verlangt einige Arbeit, ergibt dann aber auch größeres Verständnis.

Dann besprechen wir in Kap. 2 die Linsenformel als Beispiel einer Formel vom Größentyp. Sie wird aus einer Reihe anderer grundlegenderer Gesetzmäßigkeiten (ebenso vom Größentyp) hergeleitet und wir wollen die Arbeit einer solchen Herleitung zumindest teilweise vorführen und dann sehen, was alles zum Verständnis so einer fertigen Anwendungsformel gehört. D.h. Es liegt ein Kapitel zum Formelumgang, zur Verwendung von Resultaten zur Problemlösung vor.

In Kapitel 3 besprechen wir die Newtonsche Punktmechanik als Beispiel einer Formel vom Änderungstyp. Solche Differentialgleichungen sind meist explizit analytisch nur mühsam zu lösen. Anders sieht es mit der numerischen Lösung von Differentialgleichungen aus. Darauf gehen wir in Kap. 4 ein. Das anschließende Kapitel 5 vertieft die Behandlung der Punktmechanik und im Kapitel 6 besprechen wir schließlich eine Reihe von statistischen Sdachverhalten, deren Verständnis für die Auswertung von Daten und Messungen ausgesprochen nützlich ist.

Einige Aufgaben zu diesem Kapitel Tagebuch 12.2. bis 15.2